Donnerstag, 8. September 2011

Jetzt mal nicht das Essen ...

Das Verfassungsgericht hat in seinem Urteil (siehe oben) ziemlich deutlich klargemacht, dass der Gestzgeber - und damit auch der Souverän, also das Volk - beim Existenzminimum über den wirklichen Bedarf für verschiedene Lebensbereiche diskutieren soll. Pauschaldiskussionen sind eher nicht im Sinne des Bundesverfassungsgerichts - schade, dass viele Politiker, aber auch Verbände und Medien, weiterhin lieber darüber diskutieren, ob man im Monat 5 Euro draufpacken oder abziehen soll. Für unseren Selbstversuch haben wir die Grundidee des BVerfG-Urteils aufgegriffen und uns für die Prüfung eines der größten und wichtigsten Posten, nämlich Nahrungsmittel und Getränke, entschieden. Grund war natürlich auch, dass die Überprüfung und Dokumentation da besonders einfach ist.

Aber in der ein oder anderen Form lassen sich auch andere Posten mal testen, auch wenn das, wie zum Beispiel bei der Kleidung, wesentlich schwieriger ist: Jeder Mensch verfügt über eine gewisse Garderobe und kann auch mal ein paar Monate nichts dazukaufen, dann kommen beim Einkleiden plötzlich größere Summen auf einmal zusammen. - Trotz dieser Schwierigkeiten habe ich für den Vortrag neulich beim Wirtschaftsrat Bergstraße den Selbstversuch in dieser Hinsicht erweitert. Hier das Ergebnis: Für Kleidung und Schuhe steht einem Erwachsenen nach Regelsatz 30,40 Euro monatlich zur Verfügung. Nehmen wir, wie beim Essen, mal zwei Monate, dann kommen 60,80 Euro zusammen. Kann man sich davon wenigstens einmal vollständig einkleiden?

Das, was auf dem Bild zu sehen ist, ist das Ergebnis: Es genügt für ein Hemd und eine Hose (mit Gürtel), Unterwäsche (einzeln) und Socken (3 Paar) sowie ein Paar Schuhe. Summe: 42.04 Euro. Eingekauft habe ich dafür bei Kik und im Norma-Markt. Natürlich sind Kleidungsstücke in dieser Preisklasse eher freizeitorientiert - ins Büro würde ich so eher nicht gehen. Aber für den normalen Gebrauch am Wochenende oder abends ist das schon passabel. Wie gesagt, beim Wirtschaftsrat bin ich so aufgetreten. Das hat hier und da, das war jedenfalls mein Eindruck, für eine gewisse Verwunderung gesorgt, weil viele der anwesenden Unternehmer im Anzug erschienen waren und das auch vom Vortragenden erwartet hatten - mit Recht, denn hätte ich über ein anderes Thema gesprochen, hätte ich mir auch einen Schlips umgebunden. Aber diese Verwirrung lag ausschließlich am Stil - nicht an der Qualität der Kleidung an sich. - Und welchen Aussagewert hat das nun über den Hartz-IV-Regelsatz-Anteil "Kleidung und Schuhe"? Ich meine: Über das Jahr gerechnet (mal sechs!) ergibt das eine ordentliche Garderobe, auch die Übergangsjacke und der Wintermantel sind da durchaus drin.

2 Kommentare:

  1. Natürlich kann man sich so relativ vernünftig einkleiden - man darf sich nur keine Gedanken über Arbeitnehmerrechte und Herkunft der Ware machen... :-(

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  2. In der Tat ist es schwierig, sich diese Gedanken aus Hartz-IV-Position heraus zu machen. Oder so formuliert: Wenn diese Anbieter Arbeitnehmerrechte verletzen, dann muss man sie dafür verklagen, bis sie sie einhalten, und wenn die Herkunft der Ware Gesetze des internationeln Handels verletzen, muss man die Einfuhr stoppen. Wenn dann die Ware dadurch teurer wird, müssen die Sätze nach BVerfG angepasst werden - so ist die Reihenfolge in einem Rechtsstaat richtig. Denn genau dafür haben wir Gesetze. Die Sätze anzuheben, um die Möglichkeit zu schaffen, teurer einzukaufen, damit illegale Ware langsam ausgetrocknet wird, das kann ja nicht der richtige Weg sein ...

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